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3D-Druckdienstleister als Knotenpunkt in grenzüberschreitenden, digitalen Lieferketten

Erfolgreicher Abschluss eines Interreg-Förderprojekts unter der Gesamtleitung des Hightech Zentrums Aargau

Wie können regional ausgerichtete KMU dabei unterstützt werden, sich in einem Weltmarkt für additive Fertigung (3D-Druck) erfolgreich zu positionieren? So lautet die Kernfrage eines europäischen Forschungsprojekts im DACH-Raum, das unter dem Lead des Hightech Zentrums Aargau erfolgreich abgeschlossen wurde.

Am Anfang stand ein Workshop der Hochrheinkommission (HRK), die sich für eine gute Zusammenarbeit zwischen Deutschland und der Schweiz engagiert. Leendert den Haan, Technologie- und Innovationsexperte des Hightech Zentrums Aargau (HTZ) und Innosuisse-Mentor, skizzierte die Ausgangsidee: Wie lässt sich das grosse Potenzial der additiven Fertigung durch KMU in einem grenzüberschreitenden Markt bestmöglich nutzen? Das nachfolgende Projekt der Internationalen Bodenseekonferenz (IBK) führte zum Aufbau eines Projekt-Konsortiums von zwei Dutzend Partnern: Unternehmen, Hochschulen und Netzwerkpartner aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Unter der Gesamtleitung des HTZ-Experten wurde im Frühjahr 2019 ein Forschungsprojekt gestartet, das massgeblich vom Europäischen Fonds für regionale Entwicklung Interreg gefördert wurde (Interreg V-Programm Alpenrhein-Bodensee-Hochrhein). Als Forschungspartner aus der Schweiz war die ZHAW School of Management and Law in Zürich involviert, als assoziierter Partner unter anderem auch der Kanton Aargau. Das Projekt «Bewertung und Erprobung neuer Geschäftsmodelle mit 3D-Druck» wurde Mitte 2022 abgeschlossen.

Disruptive Schlüsseltechnologie
Die additive Fertigung gehört zu jenen disruptiven Schlüsseltechnologien, die von den Trends zur Digitalisierung und Vernetzung von Produktionsanlagen über grosse Distanzen stark profitieren werden. Sie ermöglicht es, Produktionsinformationen – zum Beispiel Druck- und Konstruktionsdaten – via Internet zu transferieren und für die lokale Fertigung zu verwenden. Dies setzt voraus, dass die benötigten Drucker und die Infrastruktur zur Nachbearbeitung vorhanden sind. Werden Produkte dezentral und direkt in Zielmärkten hergestellt, lässt sich der logistische Aufwand und letztlich der gesamte ökologische Fussabdruck minimieren. Zudem können nicht zuletzt Ersatzteile bedarfsabhängig («on demand») statt auf Vorrat hergestellt werden. «Hier öffnen sich gerade auch für KMU Chancen für die Entwicklung neuer, grenzüberschreitender digitaler Geschäftsmodelle», umschreibt HTZ-Experte Leendert den Haan eine Grundüberlegung. Das Interreg-Projekt inklusive Eigenleistung der Unternehmen war mit knapp 1,4 Millionen Euro budgetiert.

Geschäftsmodelle auf dem Prüfstand
Im ersten von drei Teilprojekten lag der Fokus auf der wirtschaftlichen Logik der 3D-Druck-Geschäftsmodelle. Für eine Umfrage zur additiven Fertigung in der DACH-Region konnten mehrere hundert Teilnehmer gewonnen werden. Es zeigte sich, dass die additive Fertigung noch immer mit grossen technischen und wirtschaftlichen Herausforderungen konfrontiert ist. Im Rahmen des Teilprojekts wurden Geschäftsmodelle im 3D-Druck untersucht, insbesondere mit Blick auf grenzüberschreitende Wertschöpfungsketten. Es wurden «Business Canvas Models» (strategische Managementvorlagen) für eine globale Wertschöpfungskette entwickelt, die vom Drucker- und Materialhersteller, über den Designer (IP-Rechteinhaber) und den 3D-Drucker bis zum Endkunden reicht. Als Segment mit hoher «Value Proposition» (Nutzenversprechen für den Endkunden) wurde das Ersatzteil-Geschäftsmodell identifiziert.

Neue Rolle für Logistiker
Der Blick auf angrenzende Geschäftsfelder zeigte, dass im digitalen 3D-Druck Logistikunternehmen zu Verwaltern von Druckdateien werden können. Sie könnten bei einer dezentralen Lagerstruktur auch 3D-Drucker einbeziehen. Eine weitere Erkenntnis: Viele 3D-Drucker konzentrieren sich heute stark auf die regionale Nachfrage und haben mit sehr hohen Kosten für die Kundenakquise zu kämpfen. Mittels digitaler Handelsplattformen liesse sich der Zugang zur additiven Fertigung vereinfachen. «Für viele 3D-Drucker ist die Kostenstruktur sehr ungünstig», sagt Gesamtprojektleiter den Haan und ergänzt: «Viele Geschäftsmodelle sind ausgesprochen beratungsintensiv, was die Druckkosten pro Stück stark erhöht. Hier könnten Digitalisierung und ein Umdenken bei den Druckdienstleistern zu Lösungen führen.»

Die Politik ist gefordert
Im Projektschlussbericht wird darauf hingewiesen, dass die heutigen rechtlichen Rahmenbedingungen für die grenzüberschreitende additive Fertigung lückenhaft sind. «Hier sollte eine Diskussion angestossen werden, welche Risiken 3D-Druckunternehmen eingehen, wenn sie global agieren», erläutert Leendert den Haan. Noch sei der Durchbruch für die additive Fertigung im Sinne einer Massenproduktion nicht geschafft und die wirtschaftliche Lage für 3D-Druckunternehmen sehr schwierig. Denkbar ist in diesem Kontext ein nächstes Forschungsprojekt, um die angedachten Geschäftsmodelle zu realisieren.

Die Datensicherheit in der Cloud
Das zweite Teilprojekt befasste sich mit dem Transfer von lizenzierten Datenpaketen. Hier lag der Fokus auf der IT-seitigen Abbildung einer gesicherten Supply Chain, inklusive der technischen Lizenzierung der zu übertragenden Dateien. Eine wichtige Erkenntnis: Die so genannten Distributed Ledger Techniken (DLT) – wie zum Beispiel die sehr energieintensive Bitcoin-Blockchain – sind grundsätzlich geeignet, um eine sichere Kommunikation zwischen dem Hersteller als Eigentümer der Druckdaten und dem Druckdienstleister herzustellen. Notwendig ist jedoch die Einbindung des 3D-Druckers in die DLT-Umgebung, um Datenlecks zu verhindern. Es wurden Formen des Lizenz-Handlings untersucht und es konnten praktikable (Software-)Lösungen für die vollverschlüsselte Datenübertragung entwickelt werden.

Sicherstellung der Qualität
Im Fokus des dritten Teilprojekts standen die Druckprozessüberwachung und die Qualitätssicherung. Für die Entwicklungsarbeiten wurde schliesslich das Druckverfahren FDM (Fused Deposition Modeling) ausgewählt. Hierbei wird ein geschmolzenes, thermoplastisches Material durch eine Düse gepresst und auf ein Substrat abgelegt sowie verfestigt. Es zeigte sich, dass die aktive Qualitätssicherung zu den wichtigsten Forderungen von 3D-Druckunternehmen zählt. Es wurden Möglichkeiten gefunden, um während des Druckprozesses automatische Echtzeitkorrekturen vorzunehmen, um die Qualitätsanforderungen zu erfüllen.

KMU brauchen Unterstützung
Während des Interreg-Projekts wurden über 25 Studien (Bachelor- und Masterarbeiten) erstellt. Ein Folgeeffekt war auch die Etablierung der Praxiszirkelreihe Additive Fertigung, organisiert vom Hightech Zentrum Aargau und dem IBAM (Innovation Booster Additive Manufacturing). Gesamtprojektleiter Leendert den Haan betont im Rückblick einen weiteren wichtigen Umstand: «Die Covid 19-Epidemie hat die Relevanz dieser Thematik bestätigt: Es kann essenziell sein, Wertschöpfungsketten schnell verlagern zu können, um die Folgen von Produktionsausfällen so gering wie möglich zu halten.» Im Projektverlauf habe sich auch gezeigt, wie wichtig die Unterstützung von KMU sei, wenn es um die Errichtung der erforderlichen digitalen Infrastruktur gehe. Diese Aufgabe würde KMU überfordern. Hier seien der Staat oder allenfalls externe Investoren gefragt. Nur KMU nahe bei den Endabnehmern können agil auf sich schnell verändernde Kundenwünsche reagieren. Sie tragen jedoch nur dann zum Erhalt von lokalen Arbeitsplätzen in der Produktion bei, wenn ihre Integration in einem globalisierten Markt auch möglich ist. (RM)