
Extrem harter Werkstoff

Widerstandsmechanismus beim Schneiden mit dem Winkelschleifer. (a) zylindrische Probe für die Röntgen-CT-Untersuchung, (b) Keramikkugel, die eine Punktlast auf den Rand der rotierenden Scheibe ausübt, wodurch Vibrationen und eine dynamische Grenzfläche induziert werden, (c) CT-Bild (farbcodiert), das die Wechselwirkung zwischen der teilweise geschnittenen Kugel und der rotierenden Scheibe zeigt, (d) rotierende Scheibe, die die Kugel teilweise durchtrennt und dann den Schneidevorgang abbricht, (e) eingesetztes Aluminiumoxid von geringer Reinheit, das die Fragmentierung der Kugel in Partikel im Bereich von 50 bis 500 µm sicherstellt, (f) Keramikkugel, die eine örtlich begrenzte Last auf die Spitze der rotierenden Scheibe ausübt, was zu Vibrationen der Scheibe führt. Bildquelle: Autoren
Man weiss nicht, welche Anwendung die Autoren dieser Studie im Kopf hatten, als sie die Versuche machten. Wenn sie die Proben des neuen Materials mittels Bohrmaschine oder Trennschleifer traktieren, denkt man unwillkürlich an Wände für Safes oder Ähnliches. Jedenfalls hat die Gruppe um Stefan Szyniszewski ein neues, metallisch-keramisches hierarchisches Kompositmaterial entwickelt, das sowohl hoch verformbar als auch extrem widerstandsfähig gegen dynamische Punktlasten ist.
Ein hierarchisches Verbundmaterial mit neuen Eigenschaften
Hierarchische Organisation, wie sie oft bei biologischen Materialien wie Knochen oder auch Holz auftritt, kombiniert Materialien auf der Nano-, Mikro- und Makroskala zu einer Struktur mit oftmals neuen Eigenschaften. Dieser strukturelle Aufbau hat zur Folge, dass ein zusätzlicher Effekt auftritt, der über die Wirkungen der einzelnen Bestandteile weit hinausgehen kann.
Die in dieser Studie beschriebene, bio-inspirierte Struktur kombiniert einen metallischen Schaum mit darin verteilten, relativ grossen Keramikkugeln. Sie ist weder mit einem Winkelschleifer noch mit einer Bohrmaschine schneidbar und hat dabei nur 15% der Dichte von Stahl. Die Architektur verdankt ihre extreme Beständigkeit gemäss den Autoren der lokalen Resonanz zwischen den eingebetteten Keramiken in der flexiblen zellulären Matrix. Dies erzeugt hochfrequente Schwingungen an der Grenzfläche zum eindringenden Werkzeug erzeugt. Das Material war sogar gegen Wasserstrahlschnitt wirksam, weil die konvexe Geometrie der Keramikkugeln den Wasserstrahl verbreiterte und seine Geschwindigkeit und damit die Schnittwirkung um mehrere Größenordnungen reduzierte.
Solch ein Wechsel des Designparadigmas vom statischen Widerstand hin zu optimierten, dynamischen Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Materialphasen in einem Verbundmaterial unter dynamischer Last könnte zukünftig die Entwicklung neuartiger, metamorpher Materialien inspirieren.
Originalpublikation:
S. Szyniszewski, R. Vogel, F. Bittner et al., Non-cuttable material created through local resonance and strain rate effects, Sci Rep10, 11539 (2020).
https://doi.org/10.1038/s41598-020-65976-0 (Open Access)