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KMU-MEM als wichtiger Player in der Kernfusionsforschung

Tiefbohrbär heisst das Unternehmen, das Markus Bär in den 90er-Jahren gründete. Mit bemerkenswerter Ausdauer knobelte der gelernte Werkzeugmacher in der eigenen Garage daran, die perfekte Tiefbohrung mit spiegelglatter Oberfläche und ohne Verlauf zu schaffen, bis ihm 2003 der Durchbruch gelang. 2007 zeichnete die Jury das mittlerweile 20-köpfige KMU mit dem 1. Aargauer Unternehmerpreis aus.

(Swissmechanic Journal, Interview: Monika Hotz) - Heute beschäftigt das KMU 28 Mitarbeitende und ist der Nummer-1-Lohnbetrieb in Europa für Tiefbohrungen mit Kleinstdurchmessern in Einzelteilen oder grossen Serien. Nur in den USA gibt es einen weiteren Betrieb mit den Kompetenzen der Korrugation von Tiefbohrbär. Aus allen Ecken der Welt gelangen Forschungsinstitute mit ihren Anliegen an das Schweizer KMU. So auch für den Forschungs-Kernfusionsreaktor ITER. Das Journal sprach mit Markus Bär über seine Erfahrungen mit seinem aktuellsten Projekt und die Unterstützung durch das Hightech Zentrum Aargau.

Markus Bär, wobei hat Sie das Hightech Zentrum Aargau genau unterstützt?
Markus Bär: Vor einiger Zeit haben wir damit begonnen, für den Bereich Kernfusion Mikrowellenleiter herzustellen. Beim Kernfusionsreaktor ITER International Thermonuclear Experimental Reactor oder lat. «der Weg») werden drei Heizsysteme benötigt, um die erforderliche Temperatur von rund 150 Mio. Grad Celsius zu erreichen. Eines dieser Heizsysteme arbeitet mit Mikrowellen. Damit die Mikrowellenstrahlen in der gewünschten Art und Weise von der Quelle bis zum Einsatzort (Torus) geleitet werden können, braucht es spezielle Wellenleiter, sogenannte Waveguides. Für ITER
haben wir bereits verschiedene Mockups hergestellt und damit den Nachweis erbracht, dass Tiefbohrbär solch  hochpräzise Bauteile herstellen kann. Die Waveguides sind mit einer extrem feinen Rillierung in der Präzisionsbohrung veredelt Korrugation). Da diese Komponenten im Ultrahochvakuum-Bereich (UHV) eingesetzt werden, ist eine extreme
Bauteilsauberkeit notwendig. Und genau hier liegt eine grosse Herausforderung: Denn es ist mit bisher bekannten Reinigungsmethoden nicht möglich, die feine Korrugation ausreichend zu reinigen. Wir haben das Hightech Zentrum Aargau kontaktiert und die Aufgabenstellung geschildert.

Wie hat Sie das Hightech Zentrum unterstützt?
Nach ersten Gesprächen wurde rasch klar, dass die Sache Umfang und Komplexität eines Forschungsprojektes hat. Als KMU sind wir aber nicht in der Lage, solche Forschungsanstrengungen aus eigener Kraft zu stemmen.

Wie genau lief die Unterstützung ab?
Das Hightech Zentrum (HTZ) hat den Antrag für den Forschungsfonds Aargau redigiert und den Kontakt zu unserem Forschungspartner, dem Paul Scherrer Institut (PSI), hergestellt. 

Wie haben Sie die Beratung durch das Hightech Zentrum Aargau erlebt?
Sehr positiv. Das HTZ haben wir als Brückenbauer zum Forschungspartner und als Türöffner zum Forschungsfonds Aargau kennengelernt. Da die Betreuungsperson vom HTZ im relevanten Bereich über ein fundiertes Wissen verfügt, ist es sogleich zu einem technisch wertvollen Dialog gekommen. Man soll sich aber keine Illusionen machen - Innovation kann nicht, wie bei anderen Dienstleistungen üblich, einfach und bequem eingekauft werden. Der Treiber der Innovation muss immer noch vom KMU selbst ausgehen. Es ist von ausserordentlicher Wichtigkeit, dass der Forschungspartner weiss, auf welches Ziel seine Forschung ausgerichtet werden soll. Es ist dann auch eine etwas delikate Daueraufgabe des KMU, den Forschungspartner während der gesamten Projektdauer an dieses Ziel zu erinnern. Zudem ist es erforderlich, die Arbeit des Forschungspartners zu hinterfragen und aktiv zu diskutieren. Nur der daraus entstehende Dialog kann zum erhofften Erkenntnisgewinn führen, und beide Seiten können so auch von den unterschiedlichen Kompetenzen des Projektpartners profitieren.

Wäre Ihre Innovation ohne die Hilfe des Hightech Zentrums Aargau zustande gekommen?
Der Forschungsfonds Aargau hat unseren Antrag bewilligt, das Projekt TUBECLEAN wurde inzwischen gestartet.  Finanziert werden die Aufwendungen für das PSI vom Kanton Aargau, unser eigenes Engagement müssen wir selbst stemmen. Nun, die Innovation ist noch nicht wirklich finalisiert, da das Projekt noch am Laufen ist. Wir haben aber aus dem laufenden Forschungsprojekt schon wichtige Erkenntnisse gewonnen, die für die Reinigung unserer Wellenleiter von entscheidender Bedeutung sind. Als KMU sind wir auf eine solche Unterstützung angewiesen, denn aus eigener Kraft hätten wir dieses Forschungsprojekt nicht tragen können und wollen. 

Konnten Sie übers Hightech Zentrum zu Kontakten kommen, beispielsweise zu Forschungsinstituten/Hochschulen oder anderen Spezialisten, die Sie auch übers geförderte Projekt hinaus weiterpflegen?
Definitiv. Wenn man die Welt der Kernfusion mitgestalten möchte, ist man auf ein funktionierendes und eingespieltes Netzwerk von weltweit angesehenen Spezialisten und Institutionen angewiesen. Dies ist insbesondere für kleinere Firmen herausfordernd, denn solche Netzwerke müssen nicht nur aufgebaut, sie müssen auch gepflegt werden. Eine Institution wie das Hightech Zentrum Aargau kann dabei sehr hilfreich sein. 

Sie waren bereits vor Gründung des Hightech Zentrums Aargau innovativ unterwegs. Inwiefern braucht es auch für so «alte Hasen» die Hilfe des Hightech Zentrums Aargau?
Innovation ist keine Einbahnstrasse und dient nie dem Selbstzweck. Damit eine gute Idee zu einem verkaufsfähigen Produkt wird, muss manches Feedback von aussen berücksichtigt werden. Die Rolle des unabhängigen Sparringspartners kann vom Hightech Zentrum Aargau übernommen werden. 

Kann man die durchschnittliche Wertschöpfung beziffern, die durch eine geförderte Innovation entsteht?
Aufgrund der Verschiedenheit von Innovation wäre es vermessen, Durchschnittswerte anzugeben. Bleiben wir doch beim konkreten Beispiel der Mikrowellenleiter für die Kernfusion. Die herausfordernde Reinigung der Wellenleiter
soll durch das vom Forschungsfonds Aargau unterstützte TUBECLEAN-Projekt gelöst werden. Dies ist Voraussetzung dafür, dass wir die Serienproduktion der Wellenleiter an ITER anbieten können. Diese Serienproduktion wiederum ist ein sechsjähriges Grossprojekt im Wert von zweistelliger Millionenhöhe. Falls Tiefbohrbär den Zuschlag erhalten würde, müssten wir ausserhalb der bestehenden Infrastruktur eine neue Fertigung hochziehen, und einige neue Arbeitsplätze könnten geschaffen werden. Wo dies geschehen soll, ist noch nicht definitiv entschieden. Im Entscheidungsfindungsprozess spielen staatliche Hilfen und Förderbeiträge eine entscheidende Rolle. Denn in einer frühen Projektphase müssen signifikante Investitionen getätigt werden, die erst später vom Projekt getragen werden. In dieser kritischen Phase sind wir auf Unterstützung von aussen angewiesen. Als bereits etabliertes Schweizer Unternehmen sehen wir aber gerade in diesem Bereich wenig Resonanz oder Interesse. So sind wir leider gezwungen, auch Alternativen im Ausland zu prüfen, wo die Frage nach staatlicher Förderung sehr viel aktiver angegangen wird. Kurz: Wo und wie viel Wertschöpfung entsteht, können wir im Moment noch nicht sagen.

www.tiefbohrbaer.com