Die Abscheidung von klimaschädlichen Gasen ist eine Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts. Jetzt konnte das Zofinger Startup novoMOF zusammen mit der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW zeigen, dass sich metallorganische Gerüstverbindungen hervorragend dafür eignen.
Die CO2-Konzentration in der Erdatmosphäre nimmt laufend zu: Mitten im Pazifik, am Mauna-Loa-Observatorium auf Hawaii, wurden zuletzt über 420 CO2-Moleküle auf eine Million Partikel gemessen. In den 60er-Jahren lag diese
Parts-per-million-Rate noch unter 300.
Das Treibhausgas CO2 erhöht die Energieaufnahme in den erdnahen Luftschichten, was wiederum zu Extremwetterereignissen führt und langfristig wohl auch den Meeresspiegel steigen lässt.
Soll diese Entwicklung gebremst werden, reicht es nicht, einfach weniger fossile Rohstoffe zu verbrennen. Was es zusätzlich braucht, sind zwei Arten von Technologien. Entweder man entzieht der Umgebungsluft CO2, so wie es das international bekannte ETH-Spin-off Climeworks macht. Oder aber man reinigt die Abgase von CO2-intensiven Industrien. Im Fokus stehen die Zement- und Stahlproduktion, denn in beiden Fällen ist die Freisetzung von CO2 aus Koks (Stahl) beziehungsweise Kalziumkarbonat (Zement) ein unvermeidlicher Teil des Herstellungsprozesses.
Für die Abgasreinigung stehen verschiedene Methoden zur Verfügung. Bereits seit über 100 Jahren gibt es die Amin-Wäsche. Ebenfalls bekannt ist die Abscheidung – die sogenannte Adsorption – von CO2 mit Silikaten, Zeolithen oder Aktivkohle; porösen Materialien, an denen CO2-Moleküle physikalisch andocken. Aber sie alle haben erhebliche Nachteile. Sie sind zu teuer oder sie adsorbieren auch andere Stoffe.
Szenenwechsel: ein älteres Gebäude auf dem Siegfried-Areal in Zofingen. Der traditionsreiche Pharmazulieferer Siegfried vermietet hier Laborfläche an junge Hightech-Firmen. Eine von ihnen ist novoMOF. Der Chef heisst Daniel Steitz. Der gebürtige Münchner kam in die Schweiz, um Chemieingenieur zu studieren, und verfasste am PSI eine Masterarbeit über metallorganische Gerüstverbindungen (MOF).
Die neuartige Klasse von Nanomaterialien wurde in den 90er Jahren per Zufall entdeckt und fasziniert seither Chemikerinnen und Chemiker rund um die Welt. Denn MOFs ignorieren die bestehende strikte Trennung von organischer und anorganischer Chemie. Bestehend aus einem praktisch beliebigen Metall und organischen Liganden, haben sie noch lange nicht vollständig erforschte Eigenschaften.
«In den letzten 30 Jahren wurden rund 100 000 neue MOFs gefunden», erklärt Daniel Steitz. Für ihn Grund genug, nach dem Studium eine Firma zu gründen und für Dritte anwendungsspezifische MOFs zu entwickeln.
Ab 2021 gingen auch Anfragen zum Thema CO2-Adsorption ein. Zuerst nur ein paar, dann immer mehr. Was Spezialisten interessierte, war die wahrhaft enorme Porosität der MOFs: Ein Gramm kann die Oberfläche eines ganzen Fussballfeldes aufweisen.
«Da begann ich den Braten zu riechen», erinnert sich Jungunternehmer Steitz. Schnell stiess er auf den Grund des stark wachsenden Interesses: Viele Grossunternehmen aus energieintensiven Branchen hatten sich im Nachgang zur Pariser Klimakonferenz CO2-Reduktionsziele bis 2030 gesetzt und gerieten langsam, aber sicher unter Handlungsdruck.
Marcus Morstein, Schwerpunktleiter Werkstoff- und Nanotechnologien, Hightech Zentrum Aargau AG
Der novoMOF-Chef reagierte und baute seine Dienstleistungsfirma in einen Startup mit eigenen Produkten und ambitionierten Zielen um. Er fokussierte die Entwicklung auf MOFs, die als CO2-Schwämme dienen konnten, und meldete 2023 das erste Patent an.
Der Businessplan sieht vor, Partner aus der Zement- und Stahlindustrie oder aus dem Anlagenbau zu finden, die bereit sind, in Pilotanlagen zu investieren. «Davor», so Steitz, «mussten wir aber beweisen, dass unsere MOFs im Pilotmassstab tatsächlich funktionieren.»
Über sein privates Netzwerk war Steitz schon früher mit dem HTZ in Kontakt gekommen. Dort nahm sich nun Marcus Morstein, Leiter des Schwerpunkts Werkstoff- und Nanotechnologien, der Sache an. Der studierte Chemiker initiierte
eine Machbarkeitsstudie und stellte den Kontakt zum Institut für Material- und Verfahrenstechnik der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften ZHAW her (siehe Interview).
Bevor es in Winterthur losgehen konnte, hatte die novoMOF noch eine Hausaufgabe zu erledigen: Da die Industrie den Umgang mit losen Pulvern scheut, galt es, die MOFs in formfesten Pellets zu binden.
Im Juni 2023 war es so weit. Die MOF-Pellets kamen ins Labor. Getestet wurde zuerst, wie viel CO2 ein Kilogramm
der farbigen Körner aufnimmt. Dann massen die Zürcher Forscher, wie schnell das CO2 per Erhitzung wieder ausgetrieben, das heisst gasförmig entnommen werden kann. Und schliesslich interessierte, wie stabil sich der
Aufnahme- und Abgabeprozess wiederholen lässt.
Im Juni 2024 waren die Tests zur vollen Zufriedenheit von novoMOF abgeschlossen. «Seither fahren wir unser Marketing hoch», erklärt Daniel Steitz. Die dafür nötigen Mittel beschaffte er in mehreren Finanzierungsrunden mit Privatleuten und institutionellen Risikokapitalinvestoren.
Sechs Pilotprojekte sind bei novoMOF aktuell in der Pipeline. Daniel Steitz rechnet damit, dass bereits im kommenden Jahr der Spatenstich für die erste Anlage stattfinden wird.
Geht alles nach Plan, werden die Superadsorber aus Zofingen ab 2028 industriell verbaut. Und bereits ab 2030 könnten die aufgerüsteten Zement- und Stahlwerke 90 Prozent weniger CO2 ausstossen.
Er sieht sich als Problemlöser: Thomas Zähringer, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Material- und Verfahrenstechnik der ZHAW.
Als das HTZ im Fall novoMOF bei Ihnen anklopfte, hatte es einen guten Grund. Können Sie für Laien erklären, wie er lautete?
Die selektive Gasabscheidung ist in der Wissenschaft ein Dauerbrenner. Wir forschten selber auf dem Gebiet der CO2-Adsorption. Als «Schwamm» nutzten wir allerdings nicht MOFs, sondern ein poröses Polymer. Ausserdem betreiben wir seit über zehn Jahren eine Temperaturwechsel-Adsorptions-Anlage. Aufgebaut haben wir sie im Zuge eines anderen WTT Projekts, bei dem Abgase von Schwefelpartikeln gereinigt werden sollten. Für novoMOF mussten wir sie nun nur leicht nachrüsten.
Was kostet eine solche Anlage?
Einige 10'000 Franken. Wir tätigten damals eine Investition, von der Daniel Steitz und sein Team nun profitieren
konnten.
Wie liefen die Versuche mit den Pellets von novoMOF ab?
Unsere Anlage setzte sie einem künstlichen Abgasstrom von feuchter Luft, Stickstoff und CO2 aus. Wenn die Sättigung erreicht war, erhitzten wir die Pellets und trieben das CO2 als hochreines Gas wieder aus. Den ganzen Prozess wiederholten wir 20 Mal und erhoben bei jedem Zyklus die physikalischen Schlüsselwerte. Im Kern ging es darum zu zeigen, dass ein physikalischer Prozess, der mit einem Gramm MOFPulver funktioniert, auch mit einem Kilogramm MOF-Pellets funktioniert; trotz anderer Fliessgeschwindigkeiten und Strömungsverteilung. Ein typischer Fall von Skalierung.
Ihr Labor betreut stets rund ein halbes Dutzend WTT-Projekte mit verschiedenen Partnern. Worin unterscheidet sich ein Startup wie novoMOF von einem klassischen KMU?
(lacht) Die Erinnerung an die eigene Studienzeit ist bei jungen Gründern noch sehr frisch. Man spricht noch die gleiche Sprache, was beim Aufsetzen des Projekts mitunter hilft.