Jedes Jahr bleiben in der Schweiz Tausende von Lehrstellen unbesetzt. An diesem Malaise will die Jofi GmbH aus Frick etwas ändern. Das Jungunternehmen hat mit Unterstützung des Hightech Zentrums Aargau und der FHNW eine innovative Online-Plattform entwickelt.

Aargauer Start-up Jofi GmbH bringt Schüler und Firmen auf innovative Weise zusammen

Ungeeignete oder fehlende Bewerbungen: Das sind die Hauptgründe dafür, dass regelmässig mehrere tausend Lehrstellen nicht besetzt werden können. Zudem liegt die Quote der Lehrabbrüche bei 20 Prozent; diese hängen vor allem mit unterschiedlichen Vorstellungen vom Lehrberuf oder zwischenmenschlichen Faktoren zusammen. Mit dieser Herausforderung sah sich auch Bianca Möller, eine promovierte Biologin, konfrontiert, als sie für die Ausbildung der Lernenden im Werk Stein der Novartis Pharma Schweiz AG verantwortlich war. Sie machte die Erfahrung, dass sich die Branche generell damit schwertat, Lehrstellen für technische Berufe zu besetzen. Zudem beobachtete sie, wie unvorteilhaft sich gewisse Schülerinnen und Schüler (SuS) in der praktischen Bewerbungssituation präsentierten.

Matching-Plattform für beide Seiten

Die Idee, wie sich dieses Problem entschärfen liesse, reifte. 2020 griff Bianca Möller, mittlerweile zweifache Mutter, das Thema wieder auf:

«Während eines mehrtägigen Wellness-Breaks skizzierte ich ein Tool, wie ich es mir in meiner früheren Funktion im Ausbildungsbereich gewünscht hätte.»

Ihre Vision: Eine Online-Plattform, die SuS auf effiziente Weise mit dem passenden Lehrbetrieb zusammenbringt. Das «Matching» soll darauf basieren, dass die unterschiedlichen Interessen beider Zielgruppen bestmöglich befriedigt werden – ein grosser Vorteil gegenüber herkömmlichen Plattformen.

Ein Fall für das HTZ

Anfang 2021 gründete Bianca Möller gemeinsam mit einer Bekannten die Jofi GmbH (Jofi» steht für «Job-Finder»). Idealerweise befähigt die Plattform Firmen, aus einem Talentpool Kandidatinnen oder Kandidaten passgenau zu rekrutieren. Noch fehlte dem Start-up das für die Software-Entwicklung erforderliche Know-how. Bei ihrer Suche nach professioneller Unterstützung wurden die Jungunternehmerinnen fündig: Das Hightech Zentrum Aargau (HTZ) nahm sich des Falls an und vermittelte den passenden Forschungspartner: Das Institut für Interaktive Technologien an der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW.

«Die Machbarkeitsstudie wurde mit agilen Methoden geplant und durchgeführt»,

erläutert HTZ-Experte Bernhard Isenschmid und ergänzt:

«Wir konnten wichtige Inputs einbringen und die Erwartungshaltungen abgleichen.»

Unterschiedliche Ansprüche

In der Machbarkeitsstudie lag der Hauptfokus auf dem Prozess der Integration beider Seiten in die Plattform.

«Die komplexen wissenschaftlichen Fragestellungen im Bereich der Nutzerführung und Gamification machten das Projekt für die Forschungsgruppe sehr attraktiv»,

resümiert Madlaina Kalunder, wissenschaftliche Mitarbeiterin der FHNW, Hochschule für Technik. Sie erklärt:

«Eine zentrale Herausforderung lag darin, die langfristige Motivation der SuS aufrechtzuerhalten. Die für das Matching benötigten Interessensfragen sollten bewusst bearbeitet werden. Es musste auch verhindert werden, dass das Profil nicht vollständig ausgefüllt wird.»

Neben Akzeptanz, Glaubwürdigkeit und Effizienz wurde dem Kriterium Sicherheit – Stichwort Datenschutz – ein hoher Stellenwert eingeräumt. Neben der konzeptionellen Ausarbeitung der User-Experience und des Software-Prototypen führte die FHNW gemeinsam mit Jofi User-Testings mit den Zielgruppen durch.

Nagelprobe steht noch aus

Jofi-Geschäftsführerin Bianca Möller bezeichnet die Zusammenarbeit mit dem HTZ und der FHNW als «konstruktiv und sehr wertvoll». Die Machbarkeitsstudie konnte im Herbst 2022 erfolgreich abgeschlossen werden. Seither arbeitet Jofi an der Umsetzung. Das Echo ist sehr positiv. Die Plattform wird als Prototyp bereits von SuS im Raum Fricktal/Basel genutzt – rund 220 bildeten bis Ende Mai 2023 den Pool. Diesem steht rund ein Dutzend Lehrbetriebe gegenüber, darunter neben KMU auch Unternehmen aus dem Life-Sciences-Bereich. Für Jofi werden die Monate vor dem Start zum Lehrjahr 2024/25 zur Nagelprobe. Jofi peilt zunächst die Nordwestschweiz an. Idealerweise wird die Vermittlungsplattform in vielen Branchen genutzt.

Der Weg zum Ziel

SuS erstellen online ein umfangreiches Bewerbungsprofil. Neben traditionellen Elementen wie Noten oder Multicheck-Resultate fliessen auch individualisierte Bewerbungskomponenten ein. Die SuS müssen noch nicht genau wissen, welche Lehre sie machen wollen. Optional kann ein Vorstellungsvideo integriert werden, womit sich die SuS sehr persönlich präsentieren können.

Lehrbetriebe erhalten nach der Registrierung und Identitätsprüfung durch Jofi Zugriff auf anonymisierte Profildaten und erstellen ihrerseits ein Angebotsprofil. Der persönliche Auftritt der SuS gibt den Firmen einen ersten Eindruck, ob die Person in das Umfeld passt. Die Plattform bietet auch kleinen Firmen und für weniger bekannte Lehrberufe eine Präsentationschance. Firmen können SuS darauf hinweisen, dass deren Interessen zu einem bestimmten Lehrberuf passen. Nach dem «Matching» durch den eingebauten Algorithmus können die SuS ihr gesamtes Profil freischalten – als letzte Vorstufe für den Direktkontakt. Die Firmen leisten für die Nutzung der Plattform einen finanziellen Beitrag.