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Im grossen Kreislauf - Nachhaltiger Umgang mit Kunststoffen

Erst rund 10 Prozent des in der Schweiz verbrauchten Plastiks wird rezykliert. Wenn diese Quote steigen soll, ist neben den Verbrauchern auch die Industrie gefordert. Wir stellen fünf Aargauer Unternehmen vor, die Verantwortung übernehmen und vorausgehen. Ausserdem erklärt Rémy Stoll vom Kunststoff Ausbildungs- und Technologie-Zentrum KATZ, was Kreislaufprojekte so anspruchsvoll macht.

Wir sind Europameister. Allerdings in einer Disziplin, in der niemand gewinnen will. Es handelt sich um den Kunststoffverbrauch; er lag zuletzt bei jährlich 125 Kilogramm pro Einwohnerin und Einwohner.

Es gibt allerdings auch eine gute Nachricht: In der Schweiz gelangt – anders als im globalen Süden – nur ein kleiner Bruchteil der Kunststoffe nach dem Gebrauch in die Umwelt. Die Ausnahmen gehen auf das Konto des Litterings und des Mikroplastiks, wie ihn vor allem der Abrieb von Fahrzeugreifen entstehen lässt.

Gemäss der jüngsten Erhebung des Bundesamtes für Umwelt (BAFU) werden von den 780000 Tonnen Plastikmüll, die in der Schweiz jährlich anfallen, 86 Prozent thermisch verwertet; entweder in Kehrichtverbrennungsanlagen oder in der Zementproduktion. Ein sehr kleiner Teil gelangt – vorwiegend im Mischabbruch des Baugewerbes – auf Deponien. Recycelt werden nur rund 10 Prozent.  Die tiefe Kreislaufquote hat mehrere Ursachen. «Eine von ihnen ist die lückenhafte Sammellogistik», sagt Melanie Haupt, Geschäftsführerin des Umweltberatungsunternehmens realcycle, Dozentin an der ETH und eine der führenden Schweizer Expertinnen für Kreislaufwirtschaft.

Rund 40 Prozent des Plastikmülls machen gebrauchte Verpackungen aus; davon wiederum die Hälfte Lebensmittelverpackungen. All diese Gebinde landen im Siedlungsabfall. Und nur gerade ein Viertel der Schweizer Gemeinden sammelt Kunststoffabfälle getrennt ein.

Umso wichtiger, sagt Melanie Haupt, sei die laufende Revision des Umweltschutzgesetzes. Bundesrat und Parlament sind daran, für die Kreislaufwirtschaft einen gesetzlichen Rahmen zu schaffen; schweizweit einheitliche Regeln für die kommunale Plastikentsorgung sind ein Eckpfeiler der Reform.

Dass eine funktionierende Sammellogistik zu einer Verhaltensänderung in der Bevölkerung führt, zeigt das Beispiel Uri, wo sämtliche Gemeinden zertifizierte Kunststoffsammelstellen betreiben. 2021 lieferten die Verbraucherinnen und Verbraucher aus dem Gotthard-Kanton pro Kopf 4,1 Kilogramm Plastik ab; in den Kantonen
der Romandie lag dieser Wert nahe null.

Angebotsseitig nutzt die Politik zwei Hebel, um den Kunststoffmüll zu reduzieren: Anreize und Verbote. Ein wichtiger Treiber ist die EU. Sie erliess vor vier Jahren zum ersten Mal in ihrer Geschichte eine Werkstoff-Verordnung. Seit Juli 2021 gelten für kunststoffbasierte «singleuse»-Artikel wie Trinkhalme oder Wattestäbchen Vertriebsverbote.

Europäische Lenkungsabgabe auf Plastik

Die Anreize zielen auf eine Steigerung der Kreislaufquote in der plastikverarbeitenden Industrie ab. Auch hier geht die EU voran. Sie plant die Einführung einer Plastiksteuer mit dem Ziel, die Ausgangsmaterialien zu verteuern und
damit die Wettbewerbsfähigkeit der Sekundärrohstoffe zu stärken. Die Plastic Tax würde auch die Schweiz betreffen, da sie mangels petrochemischer Industrien sämtliches primäres Kunststoffgranulat einführt.

«Eine Besteuerung der Primärrohstoffe würde viel bewirken», ist Melanie Haupt überzeugt. Vor allem, weil es immer wieder Phasen gibt, in denen Primärgranulate aufgrund tiefer Ölpreise deutlich günstiger sind als Rezyklate.

Die Folge für die plastikverarbeitende Wirtschaft heisst Unsicherheit. Betroffen sind alle Unternehmen in der Wertschöpfungskette: von den eigentlichen Kunststoffverarbeitern über die sogenannten Inverkehrbringer aus allen Branchen bis zu den Logistik- und Recyclingbetrieben. Eine Lenkungsabgabe auf der Produktion von neuen Kunststoffen würde die rohstoffseitige Planungsunsicherheit reduzieren und den Start von Kreislaufprojekten wesentlich erleichtern.

Aktuell fliessen fünf Prozent der weltweiten Erdölförderung in die Produktion von Kunststoff. Das ist doppelt so viel wie in den globalen Flugverkehr, aber sehr wenig im Vergleich mit dem fossilen Verbrauch des Landverkehrs oder des Gebäudesektors; für Melanie Haupt mit ein Grund, weshalb es mit der Plastik-Kreislaufwirtschaft nur in kleinen Schritten vorangeht.

«Aber immerhin», so die Umweltingenieurin, «stimmt die Richtung.» Sie ist überzeugt, dass kunststoffverarbeitende Unternehmen mit ambitionierten Kreislaufzielen über kurz oder lang von ihren Investitionen und Vorleistungen profitieren werden. 

Wie viele es von diesen First Movern gibt, wird nicht systematisch erhoben. Sicher ist nur, dass es immer mehr werden. Fünf von ihnen stellen wir im Magazin vor.

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