Innosuisse – die Schweizerische Agentur für Innovationsförderung – investiert Jahr für Jahr rund 270 Millionen Franken in Wissens- und Technologietransferprojekte von den Hochschulen in die Wirtschaft: CEO Annalise Eggimann über Förderkriterien, Ablehnungsgründe und die Bedeutung regionaler Anlaufstellen.
Nehmen wir an, Frau Eggimann, ich bin Inhaber eines 20-köpfigen KMU und habe eine innovative Idee. Wie komme ich mit der Innosuisse in Kontakt?
Annalise Eggimann: Viele Unternehmen, die zum ersten Mal zu uns kommen, wurden von lokalen, kantonalen oder regionalen Innovationsförderstellen über unser Angebot informiert; es können dies kantonale Wirtschaftsförderstellen aber auch die Transferstellen von Fachhochschulen und Universitäten sein.
Jetzt weiss ich als Unternehmerin, als Unternehmer, dass es Innosuisse gibt. Wie komme ich zu einer finanziellen Unterstützung meines Innovationsprojektes?
Ich schicke voraus, dass wir in der Schweiz – im Gegensatz zu den allermeisten europäischen Ländern - grundsätzlich keine Direktzahlungen an Unternehmen leisten dürfen. Innosuisse beteiligt sich an der Finanzierung von Kooperationsprojekten zwischen Unternehmen und ihren akademischen Partnern. Sie deckt die direkten Projektkosten, die bei Schweizer Forschungseinrichtungen anfallen. 2021 wurden Förderbeiträge in der Höhe von rund 190 Millionen Franken ausbezahlt.
Keine Direktzahlungen, dafür Co-Finanzierung des projektbezogenen Wissens- und Technologietransfers (WTT). Was spricht für dieses «Schweizer System»?
Das innovierende Unternehmen erhält Zugang zu wissenschaftlichem Know-how, Kompetenzen und den entsprechenden Laborinfrastrukturen. Ausserdem profitiert es vom Netzwerk des akademischen Partners. Die Projekte bieten nicht zuletzt die Gelegenheit, Fachkräfte zu rekrutieren. Wir wissen aus unseren Kundenbefragungen, dass rund 15 Prozent aller Unternehmen, die an Innovationsprojekten beteiligt waren, Personal aus den involvierten Hochschulen einstellten.
Elf Universitäten, sieben Fachhochschulen und der ETH-Bereich: Die Schweizer Hochschullandschaft ist breit gefächert. Wie finde ich einen geeigneten akademischen Partner?
Für die Partnersuche können KMU bei Innosuisse eine kostenlose durch einen der 21 von uns akkreditierten Innovationsmentoren beantragen. Im vergangenen Jahr bewilligten wir 693 Gesuche. Drei unserer Innovationsmentoren sind auch für das HTZ tätig. Und damit sind wir wieder bei den regionalen Partnern: Sie stehen in der Pflicht, «ihren KMU» den Weg zu weisen.
Ein Projektantrag wird von den Hochschulen und den Industriepartnern gemeinsam eingereicht. Wie hoch ist der zeitliche Aufwand für die Unternehmen?
Das lässt sich nicht in Stunden oder Tagen beziffern. Der Aufwand hängt in hohem Masse davon ab, ob die Unternehmen ihre Hausaufgaben gemacht haben. Wer weiss, mit welchen Produkten und Dienstleistungen sie Geld verdienen. Wer seine Kunden kennt und darauf aufbauend einen strategischen Plan für Forschung und Entwicklung verfolgt, hat seine Unterlagen für einen Förderantrag schneller aufbereitet. Denn diese Angaben bilden die Basis für das, was wir wissen wollen: Ist das vorgelegte innovative Projekt geeignet, Kundinnen und Kunden zu gewinnen, Umsätze zu generieren und neue Arbeitsplätze zu schaffen?
Es ist bekannt, dass sich vor allem kleine Unternehmen schnell überfordert fühlen, wenn es darum geht, Förderanträge auszufüllen. Es fehlt schlicht die Übung. Was raten Sie in einem solchen Fall?
Da verweise ich wieder auf die Innovationsmentorinnen und -mentoren sowie die lokalen Anlaufstellen. Deren Innovationsexpertinnen und -experten kennen die ansässigen Unternehmen und überblicken die Eigenheiten der verschiedenen Förderinstrumente. Eine Zusammenarbeit beispielsweise mit dem HTZ hilft zweifellos, die Qualität eines Förderantrags zu erhöhen.
2021 bewilligte Innosuisse 51 Prozent der total 857 beurteilten Gesuche. Was kann gegen einen Förderbeitrag sprechen?
Die Projekte werden von jeweils zwei unserer Innovationsexpertinnen und -experten evaluiert. Einige von ihnen haben einen wissenschaftlichen Hintergrund, andere kommen aus der Wirtschaft, arbeiten zum Beispiel als CTO in einem Unternehmen. Wenn sie zum Schluss kommen, dass ein Projekt nicht innovativ genug ist oder mit dem gewählten Vorgehen die gesteckten Ziele verfehlen wird, lehnt das Entscheidungsgremium – unser Innovationsrat – den Antrag mit hoher Wahrscheinlichkeit ab.
Ist es nicht logisch, dass ein Innovationsprojekt auch scheitern kann?
Sie haben Recht: Ein echtes Innovationsprojekt ist stets mit Risiken behaftet. Es bleibt ein unkalkulierbarer Rest, ein Sprung ins Unbekannte. Umso wichtiger ist, dass die Voraussetzungen stimmen. Unsere Expertinnen und Experten beurteilen deshalb auch, ob das Unternehmen die technischen, finanziellen und personellen Ressourcen zur Durchführung des geplanten Projektes hat. Ausserdem schauen sie, ob der Hochschulpartner über die nötigen Kompetenzen verfügt und ob eine zielführende Methodik vorliegt.
Sie sprachen die technischen und finanziellen Ressourcen des Unternehmens an. Gibt es diesbezüglich eine Untergrenze?
Bei 80 Prozent der finanzierten Vorhaben sind KMU beteiligt; viele von ihnen sind ausgesprochene Kleinbetriebe mit weniger als 50 Mitarbeitenden. Dabei hat auch die inkrementelle Innovation ihren Platz, sofern es zu ihrer Realisierung wissenschaftliches Know-how braucht. Wir fördern keineswegs nur Hightech-Projekte oder Projekte mit dem Anspruch, ganze Wertschöpfungsketten und Märkte zu disruptieren.
Kommen wir zum Finanzierungsschlüssel der Innovationsprojekte. Lange galt die 50/50-Regel. Die eine Hälfte der Gesamtkosten erstattet Innosuisse dem Hochschulpartner, die andere Hälfte trägt der Wirtschaftspartner. Gilt die Faustregel nach wie vor?
Mit dem Inkrafttreten des revidierten Bundesgesetzes über die Förderung der Innovation und der Forschung (FIFG) per Anfang 2023 werden wir flexibler. Die Eigenleistung des Unternehmens wird neu zwischen 40 und 60 Prozent schwanken können. Angepasst wird auch die Berechnung der Cash-Zahlung an die akademischen Partner: Er wird neu nicht mehr zehn Prozent des Innosuisse-Beitrages, sondern fünf Prozent der gesamten direkten Projektkosten betragen.
Gibt es bezüglich der eingereichten Innovationsprojekte thematische Einschränkungen?
Die Schweizer Innovationsförderung geht davon aus, dass der Impuls grundsätzlich von der Basis – von den Unternehmerinnen und Unternehmern – kommen muss. Denn niemand kennt die Märkte besser als die direkt Involvierten. Sie wissen, welche neuen Produkte und Dienstleistungen gefragt sein könnten, und wo der investierte Franken die grösste Hebelwirkung entfaltet. Deshalb kennt das FIFG keine Einschränkungen bezüglich der eingesetzten Technologien. Wir fördern auch Projekte ohne Technologiebezug; zum Beispiel im sozialen Bereich.
Innosuisse-Projekte sind befristet und dauern durchschnittlich drei Jahre. Wie eng begleiten Sie die beteiligten Partner in dieser Zeit?
Wir überprüfen periodisch, ob die im Voraus definierten Meilensteine erreicht werden. Dabei werden auch allenfalls bestehende Probleme diskutiert.
In der täglichen Arbeit auf dem Projekt können Probleme, Missverständnisse und Unstimmigkeiten entstehen. Ist dafür vorgesorgt?
Dafür bieten kantonale und regionale Stellen wie das HTZ Unterstützung an.
Das von der Innosuisse bewilligte Geld kommt indirekt privaten Firmen zugute. Dafür erwartet der Steuerzahler einen gesamtwirtschaftlichen Nutzen. Ist bekannt, wie hoch er liegt?
Wir haben selbstverständlich ein grosses Interesse daran, Politik und Gesellschaft aufzuzeigen, welchen Nutzen unsere Förderung hat. Die 2021 erschienene Wirkungsanalyse zeigt zum Beispiel, dass jeder Förderfranken 5.10 Franken zusätzliche Wertschöpfung generierte. Davon profitiert die ganze Volkswirtschaft, aber natürlich ganz besonders die Firmen, die ein Innovationsprojekt in Angriff genommen und erfolgreich abgeschlossen haben.
Die studierte Juristin ging nach ihrem Abschluss in die Industrie, wechselte zum Schweizerischen Nationalfonds und von dort zum Bundesamt für Kommunikation. Im August 2015 trat sie ihr Amt als Direktorin der Kommission für Technologie und Innovation (KTI) an. In den drei Jahren bis 2018 überführte sie die KTI in die heutige öffentlich-rechtliche Anstalt unter dem Namen Innosuisse.
Im vergangenen Jahr bewilligte Innosuisse 383 neue Projekte mit Umsetzungspartnern aus der Wirtschaft. 31 der involvierten Unternehmen hatten ihren Hauptsitz im Kanton Aargau. Obwohl kein Universitäts- oder ETH-Standort, belegt der Aargau in dieser Rangliste den vierten Rang hinter den Kantonen Zürich, Waadt und Bern. Neun der 31 Projekte wurden vom HTZ, beziehungsweise seinen Technologie- und Innovationsexperten, begleitet. Mit einem Gesamtvolumen von 3,65 Millionen Franken war die Innosuisse im Kalenderjahr 2021 der weitaus wichtigste externe Förderpartner der HTZ-Kunden.