Die Verankerung von Schiffen und Booten ist auch heute noch ein stark risikobehaftetes Manöver. Das Start-up Swiss Ocean Tech AG aus Bremgarten will dieses Problem mit einer neuartigen Technologie entschärfen. Das Hightech Zentrum Aargau war bei der Entwicklung mit an Bord.
Von Kindesbeinen an machte sich Thomas Frizlen (54) auch mit dem Leben auf dem Wasser vertraut. Vom Vater lernte er in Schweden den Umgang mit dem Segelboot. Später jobbte er als Surf- und Segellehrer. Die Flitterwochen auf dem Segelboot in Griechenland waren alles andere als Idylle pur: zwei Nächte lang lag das junge Paar aus Sorge um den möglicherweise treibenden Anker wach. Die Problematik der Sicherheit beim Ankern liess Frizlen nicht mehr los, auch wenn er zunächst einen anderen Berufsweg einschlug und Wirtschaftsingenieur wurde. Mit 26 Jahren zog er in die Schweiz, wo er im Kraftwerksbereich der ABB eine Diplomarbeit schrieb.
Das Ankern von Schiffen und Booten ist ein Routinevorgang. Er erfolgt im Prinzip noch auf die gleiche Art wie vor Hunderten von Jahren. Aus physikalischen Gründen ist das absolut sichere Ankern unmöglich, trotz Innovationen in der Seenavigation wie GPS oder dem Einsatz von Radar und Echolot. Es lauern viele Gefahren. Wird das sogenannte Ziehen des Ankers nicht oder zu spät erkannt, kann es zu Schiffskollisionen oder Havarien kommen. Weitere Risiken neben Körperverletzungen und Sachschäden sind Schäden an Unterwasserkabeln (etwa Glasfaserkabeln) und Rohrleitungen (beispielsweise Öl- und Gaspipelines). Rund fünf Prozent der Schadensumme im Schifffahrtsbereich sind auf Ankervorkommnisse zurückzuführen. Mit herkömmlicher Technik lassen sich zwar Schiffsbewegungen mit einer gewissen Genauigkeit überwachen, aber nicht die Position und Bewegung eines Ankers.
An diesem Punkt setzt Thomas Frizlen mit der Swiss Ocean Tech an. Das Unternehmen wurde 2013 mit dem Ziel gegründet, die Herausforderung der Ankerüberwachung professionell anzunehmen und einen global neuen Sicherheitsstandard zu entwickeln. Ein Expertenteam arbeitete jahrelang daran. Seit 2020 ist Swiss Ocean Tech eine Aktiengesellschaft, an der auch Investoren beteiligt sind. Sie zählt ein gutes halbes Dutzend Beschäftigte und hat keine direkte Konkurrenz. Das Aargauer Unternehmen hat eine Technologie entwickelt und patentieren lassen, die zur Standardausrüstung in der Seeschifffahrt werden könnte. «AnchorGuardian» zeigt mit einer Genauigkeit von weniger als einem Meter sowohl die Position des Ankers als auch dessen Bewegung und ermöglicht Frühalarme, wenn es zum Treiben vor Anker kommen könnte. Zugleich werden falsche Alarme vermieden, etwa wenn das Schiff infolge von Wind oder Flut um den Anker schwoit (hin- und herschwimmt). AnchorGuardian, zwischen Anker und Ankerkette eingebaut, übermittelt die Ankerbewegung via Ultraschall an das Schiff.
Mit dem Hightech Zentrum Aargau (HTZ) hat Swiss Ocean Tech in mehreren Förderprojekten erfolgreich zusammengearbeitet. Diese betrafen unterschiedliche technische Bereiche des Systems AnchorGuardian. HTZ-Technologie- und Innovationsexperte Leendert den Haan stand auch als Sparringpartner für verschiedene Fragestellungen zur Verfügung. Das jüngste Projekt wurde Mitte 2021 abgeschlossen. Als Forschungspartner wirkte das Institut für Energiesysteme und Fluid-Engineering der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW in Winterthur mit.
Im Zentrum jener Machbarkeitsstudie stand die Realisierbarkeit des Ladesystems: Die mit dem Anker verbundene Elektronik wird von einer Batterie gespeist. Diese Batterie wird drahtlos (induktiv) geladen, wenn der Anker an Bord verstaut ist. Die drahtlose Energieübertragung ist weit verbreitet. Aber hier galt es eine Reihe von Herausforderungen zu meistern, für die noch keine ausgereifte kommerzielle Lösung existiert: der grosse Ladeabstand, die Integration der Ladespule in ein robustes Metallgehäuse und die Bewegungen der Messeinheit.
AnchorGuardian soll für jedes Segment zu einem Standardelement der Ankerungstechnik werden, ob Segelboot, Yacht, Fischereifahrzeug oder Handelsschiff. Mitte 2021 wurden die ersten Prototypen an Superyachten von Kunden im Mittelmeerraum installiert. Thomas Frizlen: «Unsere Technologie ist disruptiv, sie wird das Handling des Ankerns entscheidend verändern.» Ein möglichst grosser Teil der Endmontage und auch die Qualitätsprüfung sollen in der Schweiz erfolgen. Mit dem HTZ hat Swiss Ocean Tech laut Frizlen «sehr gute Erfahrungen» gemacht: «Das Engagement ist unbürokratisch und effektiv, der Praxisbezug ist ausgeprägt. Das HTZ wie auch der Forschungspartner streben danach, dass wir als Wirtschaftspartner den grösstmöglichen Nutzeffekt erhalten.»
Am Institut für Energiesysteme und Fluid-Engineering der ZHAW wurden bereits Projekte im Bereich der drahtlosen Energieübertragung durchgeführt. Sie betrafen Anwendungen in der Gastronomie, Unterwasserroboter und Medizintechnik. «Die Herausforderung im Projekt mit Swiss Ocean Tech bestand darin, eine zuverlässige Energieübertragung unter rauen Umweltbedingungen im Beisein von metallischen Objekten zu untersuchen», sagt Andreas Müller, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Forschungsgruppe Leistungselektronik unter Leitung von Prof. Dr. Andreas Heinzelmann. In Machbarkeitsstudien mit dem HTZ würden häufig Lösungen erarbeitet, die zu Forschungsprojekten und zu Produkten werden. «Diese Produkte», ergänzt Müller, «können sich für Schweizer Unternehmen zu bedeutenden wirtschaftlichen Faktoren entwickeln.»
Das HTZ unterstützt die Swiss Ocean Tech seit Jahren, sowohl als Sparringpartner als auch bei verschiedenen Förderprojekten im Zusammenhang mit «AnchorGuardian»: einer patentierten Technologie zur Überwachung des Ankerns von Booten und Schiffen.