ProjektTiefbohrbär GmbH, Rothrist

Sauber gemäss Vakuumhandbuch

#769

Tiefbohrbär, ein metallverarbeitendes Unternehmen aus Rothrist, erhielt den Zuschlag für ein Teilprojekt des internationalen Versuchs-Kernfusionsreaktors ITER. Möglich machte dies die Partnerschaft mit dem PSI.

Für die Fusion von Wasserstoffatomen sind Temperaturen bis zu 150 Millionen Grad nötig. Im International Thermonuclear Experimental Reactor (ITER) in Saint-Paul-lès-Durance (F) soll diese extreme Hitze im Hochvakuum mittels Mikrowellen gezündet werden. Zwischen der Mikrowellenquelle und dem Reaktor liegen allerdings 300 Meter. Sie sollen mit einem mikrowellenleitenden Rohrsystem überbrückt werden.

Eine hochkomplexe Aufgabe, von der über Umwege auch Markus Bär erfuhr. Sein Unternehmen Tiefbohrbär ist Weltmarktführer bei tiefen Metallbohrungen im Mikrometerbereich und hat seine Stärken vor allem im der Medizintechnik.

Bär setzte sich mit ITER in Verbindung und wurde eingeladen, eine Offerte einzureichen; und zwar für 2,2 Meter lange Rohrteilstücke, bestehend aus einer Kupfer-Chrom-Zirkonium-

Legierung mit einer hochpräzisen Bohrung von 50 Millimeter Durchmesser und einer haarfeinen Rillierung über die gesamte Bohrungslänge.

Ausserdem sollten im Innern des Rohrs Vakuumbedingungen herrschen können, was wiederum höchste Anforderung an die Reinigung der frisch produzierten Teile stellt. Denn im Hoch­vakuum erträgt es weder metallische Partikel noch Rückstände von Ölen, Kühlemulsionen oder anderen Chemikalien. Grundsätzlich sind Reinigungsprozesse, die den strengen Kriterien des Vakuumhandbuchs von ITER erfüllen, verfügbar. Um den Auftrag zu gewinnen, musste Markus Bär jedoch ein konkretes Reinigungsverfahren auswählen und nachweisen, dass es hielt, was es versprach.

«Wir erledigen Aufträge, die für andere zu schwer sind.»

Markus Bär, Inhaber der Tiefbohrbär GmbH

Schmutzproduktion nach Plan in den PSI-Labors

Via Swissmechanic fand Bär zum HTZ, das den Kontakt zum Paul Scherrer Institut PSI herstellte und einen Förderantrag beim Forschungsfonds Aargau aufgleiste. Im Sommer 2022 ging es los: Tiefbohrbär-Projektleiter Beat Fankhauser baute am Laboratory for X-ray Nanoscience and Technologies des PSI einen Prüfstand auf. Parallel dazu erstellte eine PSI-Mitarbei­terin ein Testprotokoll, das es erlaubte, Schmutz nach den immergleichen Spezifikationen herzustellen, in den Rohrstücken aufzubringen, wieder zu entfernen und die gereinigten Oberflächen zu analysieren.

Das Projekt «Tubeclean» lief bis in den letzten Frühling 2023 und überschnitt sich mit einer frohen Botschaft aus Südfrankreich: Tiefbohrbär hatte den Zuschlag für das erste Teilprojekt der Rohrfertigung erhalten. Seither darf sich das Unternehmen offiziell ITER-Zulieferer nennen.

«Für unsere Firma ein Riesenerfolg», sagt Markus Bär. Der 63-jährige Unternehmer rechnet mittelfristig mit einer Aufstockung des Personalbestands von 60 auf 70 Mitarbeitende. Seine Spezialisten haben nun zwei Jahre Zeit, den Reinigungsprozess weiterzuentwickeln und das Verfahren zu perfektionieren.

Auf einen Blick

Das HTZ suchte für die Tiefbohrbär GmbH einen geeigneten Forschungspartner und stellte den Kontakt zu den Labors des Paul Scherrer Instituts PSI sowie zu einem geeigneten Industriepartner her. Nachdem der Forschungsfonds Aargau das vom HTZ betreute Gesuch um finanzielle Unterstützung bewilligt hatte, startete eine Machbarkeitsstudie. Für das Folgeprojekt erhielt Tiefbohrbär einen Innovationscheck der Innosuisse.

Interview mit dem Projektpartner

«Wir haben Erfahrung mit Grossanlagen»

Er war der Ansprechpartner für Tiefbohrbär beim PSI: Helmut Schift vom Labor für Nano und Quantentechnologie im Interview.

Eine kleine MEM-Firma kooperiert mit einem nationalen Forschungsinstitut im ETH Bereich, die 2000 Forscherinnen und Wissenschafter beschäftigt. Verstehen Sie, dass Markus Bär vor dem Projektbeginn
gewisse Bedenken hatte?

Absolut. Umso wichtiger war die Vermittlerrolle des HTZ und des zuständigen Experten.

Worin bestand dessen Rolle?

Marcus Morstein kommt aus den Werkstoffwissenschaften und verfügt über Erfahrung mit Innovationsprojekten
bei KMU. Er war der ideale Übersetzer zwischen Tiefbohrbär und unseren Forschenden. Ausserdem half er Markus Bär, die Unterstützungsanträge beim Forschungsfonds Aargau und bei der Innosuisse aufzusetzen.

Was kann das PSI den Schweizer KMU im Rahmen von WTT-Projekten bieten, was zum Beispiel Fachhochschulen nicht können?

Wir haben Erfahrung im Umgang mit technischen Grossanlagen; ausserdem verfügen wir über eine schweizweit einzigartige Labor- und Testinfrastruktur.

In welchen Bereichen?

Unsere Stärken liegen in der Energie und Materialforschung sowie bei der Entwicklung von neuen Oberflächenstrukturen auf der Makro- und Mikroskala.

Das PSI ist als Teil des ETH Bereichs eine weltweit bekannte wissenschaftliche Marke. Hilft dieses Renommee bei grenzüberschreitenden Projekten?

Ich denke schon. Tiefbohrbär hatte ein Projekt in der Pipeline, bei dem die Firma auf wissenschaftliche Hilfe angewiesen war. Der Innovationspartner PSI war auch ein Signal an die Betreiber des ITER: Wir meinen es ernst und kooperieren mit einer Einrichtung der Spitzenklasse.

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