Hightech Zentrum Aargau unterstützt Holzbiegewerk K. Winkler AG bei Digitalisierungsprojekt.

In diesem Innovationsprojekt wurde traditionelle Handwerkskunst mit digitalem Prozess-Fachwissen verknüpft. Es resultierte ein smart gefertigtes Sitzmöbelsystem, mit dem die K. Winkler AG in Felsenau ihr Sortiment weiter ausbaut.

Karl Winkler legte 1936 den Grundstein. Er spezialisierte sich auf die Herstellung von Bugholzteilen für Stühle und Tische. Bugholz? Die Dampfbiegetechnik wurde um 1850 erfunden: Massivholz wird in einem Ofen 100 Grad heissem Wasserdampf ausgesetzt, anschliessend mit Biegepressen in die gewünschte Form gebracht, fixiert, getrocknet und bearbeitet. An diesem Prozess hat sich grundsätzlich nichts geändert. Grundlegend gewandelt hat sich hingegen das Geschäftsumfeld: Als sich Karl Winkler selbstständig machte, gab es im unteren Aaretal noch eine Reihe namhafter Möbelhersteller – das ist Geschichte, doch der kleine Familienbetrieb hat überlebt.

Breites Anwendungsfeld

Die K. Winkler AG mit ihrer Werkstätte bei der Aaremündung in Felsenau ist eines von noch drei Schweizer Unternehmen, welche die Holzbiegetechnik beherrschen. Das KMU hat sich vom Zulieferer von Halbfabrikaten zum Anbieter von kompletten Massivholzlösungen entwickelt. Keiner bietet im Bereich der runden Formen ein breiteres Sortiment an. Die Anwendungen reichen von Möbeln über den Innenausbau bis zum Holzbau. Neben B2B-Kunden beliefert Winkler auch Private und Institutionen. Die Liste der Referenzobjekte ist eindrücklich, geografisch reicht der Bogen bis nach Indien. Aber die Schweiz ist weiterhin klar der Hauptmarkt. Das KMU mit 12 Beschäftigten profitiert von der Renaissance des Werkstoffs Holz, auch wächst die Nachfrage nach Bugholzteilen stetig: Diese sind äusserst stabil und witterungsbeständig, bieten punkto Design und Holzart grossen Spielraum und weisen – weil leimfrei – auch ökologisch Vorteile auf.

Neuartige Outdoor-Sitzbank

«Wir finden immer neue Anwendungen für dampfgebogenes Holz»,

sagt Roman Winkler, ein Enkel des Firmengründers, der das Unternehmen seit 2011 führt.

Jüngstes Innovationsbeispiel ist die Sitzbank «Harmonica». Traditionell werden für Rundbänke im Aussenbereich horizontale Sitzlatten kombiniert. Aber bei «Harmonica» werden die aus astfreiem Eichenholz geschnittenen Sitzlatten senkrecht angeordnet. Das erweitert den Designspielraum und ermöglicht einen hohen Sitzkomfort. Allerdings sind die Herausforderungen für den Hersteller wesentlich höher, erhält doch jede Latte eine spezifische Breite. Weil digitales Design-Know-how fehlte, klopfte Winkler beim Hightech Zentrum Aargau an. Winkler und der HTZ-Experte Reto Eggimann standen seit einem Treffen an einer Holzfachmesse in Basel in Kontakt. Man fand sich schnell und Ende 2022 wurde eine Machbarkeitsstudie konzipiert und kurz danach gestartet. Als Forschungspartner konnte das Departement Architektur, Holz- und Bauingenieurswesen der Berner Fachhochschule BFH Biel an Bord geholt werden.

Erfolgreiche Kooperation

Innert kurzer Zeit wurde mit Hilfe der parametrischen Programmierung ein Prototyp hergestellt. Das spezielle Zeichnungsprogramm erlaubt es, eine komplex geformte Sitzbank mit wenigen Klicks individuell zu generieren und dabei für unterschiedliche Bankradien umgehend die Dimensionen der Holzleisten sowie die Form der Unterkonstruktion zu errechnen. Der resultierende Konstruktionsplan ist die Basis für die millimetergenaue Bearbeitung der Holzleisten und die Form der Metall-Unterkonstruktion. Das Profilieren der Bugholzteile kann manuell und intern erfolgen, oder – bei Kapazitätsmangel – an einen externen Partner mit einer CNC-Anlage übergeben werden. Gleichsam als Nebenprodukt entstand ein Online-Konfigurator: Mit diesem Tool lässt sich die Bank in irgendeine Landschaft oder ein Gebäude visualisieren. Dies eröffnet Landschaftsarchitekten und Planern neue Möglichkeiten.

«Innert knapp zwei Monaten einen parametrisch aufgebauten Planungsprozess zu entwickeln, um damit einen Prototypen für die Gartenmesse Giardina bauen zu können, war eine Herausforderung für das Projektteam der BFH», erläutert Simon von Gunten, Professor für Verfahrens- und Fertigungstechnik der BFH. Er ergänzt:

«Da wir über grosse Expertise im Bereich der parametrischen Planung verfügen, konnte dieses ambitionierte Ziel erreicht werden. Basierend auf dem überwiegend positiven Feedback des Messeauftritts und den Erfahrungen aus dem Herstellungsprozess konnten wir die richtigen Prioritäten für den erfolgreiche Projektabschluss setzen. Dabei ging es um die voll automatisierte Ausgabe der notwendigen Daten für das Bearbeiten der dampfgebogenen Lamellen auf einer CNC-gesteuerten Fräsmaschine und um die Entwicklung einer ersten Version eines Online-Konfigurators.»

Sicherung von Arbeitsplätzen

«Was ich schon lange im Kopf hatte, kann dank Parametrik jetzt umgesetzt werden», erklärt Tim Kopetzki, Werkmeister und Designer bei Winkler.

Neben Kriterien wie Ästhetik, Sitzkomfort und Langlebigkeit spielt auch die effiziente Produktion eine wichtige Rolle:
«Mit diesem System können wir in Serie Einzelteile herstellen, zudem wird die Materialausbeute erheblich verbessert.»

Freude herrscht auch bei HTZ-Experte Reto Eggimann:
«Mit der Kombination von alter Handwerkskunst und digitalen Programmiermethoden ist es dem engagierten Team gelungen, innert kurzer Zeit ein in dieser Form exklusives Möbel herzustellen.»

Roman Winkler stuft die Zusammenarbeit mit dem HTZ als «äusserst konstruktiv, partnerschaftlich und unkompliziert» ein: «Für ein KMU wie wir ist diese Unterstützung enorm wertvoll.» Die Idee mit der weltweit ersten parametrischen Bugholz-Sitzbank helfe den passionierten «Holzbiegern», als Manufaktur erfolgreich zu bleiben: «Wird unser Produkt vom Markt erfolgreich aufgenommen, hilft uns dies direkt, wertvolle Arbeitsplätze zu sichern und bestenfalls neue zu schaffen.» (rm)

Weitere Infos: www.holzbiegen.ch